Diabetes Wissen / Kohlenhydratfaktor berechnen und testen leicht gemacht

Nicole • 26. Juli 2024

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Kohlenhydratfaktor einfach berechnen und testen


Viele Menschen kennen das Problem: Man isst regelmäßig das gleiche Frühstück, wie etwa Haferflocken mit Joghurt und Früchten, was genau 42 g Kohlenhydrate oder etwa 4 Kohlenhydrateinheiten ausmacht. Doch plötzlich reicht das gespritzte Insulin nicht mehr aus und der Blutzucker steigt unkontrolliert an. Das „Diabetes-Monster“ schlägt zu, ohne vorherige Einladung!


Schauen wir uns das Ganze von Anfang an an. Bei einer intensivierten Insulintherapie wird in der Regel vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Bolusinsulin und zusätzlich ein- bis zweimal täglich ein langwirkendes Basalinsulin verabreicht. Das Bolusinsulin umfasst sowohl das Mahlzeiteninsulin als auch das Korrekturinsulin. Zu Beginn der Therapie wird durch den Arzt oder die Ärztin ein Kohlenhydratfaktor oder Kohlenhydrat-zu-Insulin-Verhältnis festgelegt.


Was ist der Kohlenhydratfaktor bzw. das Kohlenhydrat-zu-Insulin-Verhältnis?


👆 Dieser Faktor gibt an, wie viel Insulin benötigt wird, um den Blutzucker nach dem Verzehr von Kohlenhydraten wieder in den Zielbereich zu bringen.


Wenn Kohlenhydrate in Gramm berechnet werden, bezeichnet man dies als Kohlenhydrat-zu-Insulin-Verhältnis (KI-Verhältnis). Dieser Wert zeigt an, wie viele Gramm Kohlenhydrate durch eine Einheit Bolusinsulin abgedeckt werden. Die Frage lautet dann: „Wie viele Gramm Kohlenhydrate kann man mit einer Einheit Mahlzeiteninsulin abdecken?“


Anders gesagt, wenn Kohlenhydrate in Broteinheiten (BE) oder Kohlenhydrateinheiten (KE/KHE) berechnet werden, spricht man vom BE-Faktor oder KE-Faktor. Dieser Faktor gibt an, wie viele Einheiten Insulin benötigt werden, um eine BE/KE zu decken. Hier fragt man: „Wie viele Insulineinheiten braucht man für eine Kohlenhydrat- oder Broteinheit?“


Viele Menschen verwenden den gleichen Kohlenhydratfaktor oder das gleiche Kohlenhydrat-zu-Insulin-Verhältnis über den ganzen Tag. Da jedoch der Insulinbedarf tageszeitabhängig schwanken kann, kann es hilfreich sein, mit tageszeitlich variierenden Faktoren zu arbeiten.

Für Erwachsene sieht der Insulinbedarf bei der Anpassung an den tageszeitlichen Rhythmus folgendermaßen aus:

   

Zeitabschnitt    KI-Verhältnis (g KH/I.E.)   BE/KE-Faktor (I.E./BE, KE)

Morgens (5-10 Uhr) 4-12 g KH/I.E.           1,0-3,0 I.E./BE, KE

Mittags (10-16 Uhr) 8-24 g KH/I.E.           0,5-1,5 I.E./BE, KE

Abends (16-22 Uhr) 6-12 g KH/I.E.           1,0-2,0 I.E./BE, KE

Nachts (22-5 Uhr) 8-24 g KH/I.E.           0,5-1,5 I.E./BE, KE


Diese Werte können individuell variieren, abhängig von der Insulinempfindlichkeit oder einer bestehenden Insulinresistenz.

Berechnung des Kohlenhydratfaktors:


  • Für Erwachsene, die Kohlenhydrate in Gramm berechnen:

        (6,2 x Körpergewicht in kg) / gesamten Insulintagesbedarf = g KH pro Insulineinheit


  • Für Erwachsene, die Kohlenhydrate in Einheiten von 10, 12 oder 15 g berechnen:

       

        Bei 10 g (KE):

        (1,6 x gesamter Insulintagesbedarf) / Körpergewicht in kg = Insulineinheiten pro 10 g KH


       Bei 12 g (BE):

       (1,9 x gesamter Insulintagesbedarf) / Körpergewicht in kg = Insulineinheiten pro 12 g KH


       Bei 15 g:

       (2,4 x gesamter Insulintagesbedarf) / Körpergewicht in kg = Insulineinheiten pro 15 g KH



Achtung - die Faktoren können sich im Laufe der Zeit verändern:


👆 Wichtige Punkte zur Überprüfung des Kohlenhydratfaktors:


  • Überprüfe die Kohlenhydratfaktoren, wenn die Glukosewerte vor dem Essen regelmäßig zu hoch oder zu niedrig sind. Der Zielbereich vor dem Essen liegt bei 80-130 mg/dl (4,4-7,2 mmol/l).
  • Auch die Werte 2-3 Stunden nach dem Essen sollten überprüft werden. Ideal wäre ein Wert unter 180 mg/dl (10 mmol/l) nach 1-2 Stunden nach Mahlzeitbeginn.

👆 Vor der Anpassung der Kohlenhydratfaktoren beachten:


  • Basalinsulin überprüfen: Stelle sicher, dass dein Basalinsulin ausreichend ist, um die Blutzuckerwerte zwischen den Mahlzeiten stabil zu halten.
  • Kohlenhydratmenge prüfen: Achte auf mögliche Schätz- oder Rechenfehler bei der Kohlenhydratmenge.
  • Spritz-Ess-Abstand nutzen: Ein Abstand von 15-20 Minuten kann helfen, Blutzuckerspitzen zu vermeiden.
  • Verhärtungen an Spritzstellen vermeiden: Spritze nicht in verhärtete Stellen, da das Insulin verzögert wirkt.


Der Kohlenhydratfaktor Test:


Beachte dies vor dem Test:

  • Der Ausgangsglukosewert sollte zwischen 90-140 mg/dl (4-7,8 mmol/l) liegen.
  • Der Test sollte nur durchgeführt werden, wenn der Glukoseverlauf stabil ist. Dies erkennt man bei der Nutzung eines kontinuierlichen Glukosemesssystems (CGM) an einem horizontalen Trendpfeil.
  • Keine Insulingabe:
  • 3-4 Stunden vor dem Test bei Verwendung von kurzwirksamen Insulinanaloga.
  • 5-6 Stunden vor dem Test bei Verwendung von Normalinsulin.
  • Die letzte Mahlzeit sollte mindestens 3 Stunden zurückliegen, leicht verdaulich und nicht zu fett gewesen sein.
  • In den letzten 6 Stunden sollten keine Glukosewerte unter 70 mg/dl (4 mmol/l) vorgelegen haben.
  • Vor und während des Tests sollte keine außergewöhnliche körperliche Aktivität stattfinden.
  • Kein Alkoholkonsum in den letzten 12 Stunden.
  • Der Test sollte nicht bei starkem Stress oder fieberhaften Erkrankungen durchgeführt werden.


Durchführung des Tests:

  • Für den Test wird eine Mahlzeit benötigt, die hauptsächlich aus Kohlenhydraten besteht und wenig Fett sowie Eiweiß enthält. Eine typische Testmahlzeit könnte 60g Kohlenhydrate (entsprechend 5 BE/6 KE) umfassen. Diese Kohlenhydratmenge findet sich beispielsweise in 85g ungekochten Hartweizennudeln, 77g rohem Reis oder 122g Weißbrot. Es ist wichtig, die genaue Menge für die Testmahlzeit sorgfältig abzuwiegen.
  • Das für die Mahlzeit erforderliche Insulin wird basierend auf dem aktuellen Kohlenhydratfaktor berechnet und sollte 20 Minuten vor dem Essen (bei Verwendung von Normalinsulin 30 Minuten vorher) injiziert werden.
  • Die Glukosewerte sollten stündlich bis zu 5 Stunden nach Beginn der Mahlzeit überwacht werden. Bei Personen, die ein kontinuierliches Glukosemesssystem (CGM) verwenden, kann die Glukosekurve zur Überwachung genutzt werden.
  • Falls es zu einer Unterzuckerung (Glukosewert <70 mg/dl bzw. 3,9 mmol/l) kommt, ist der Test sofort abzubrechen und Traubenzucker einzunehmen.


Auswertung des Tests:

Der Kohlenhydratfaktor gilt als korrekt, wenn:

  • der Glukosespiegel nach dem Essen unter 180 mg/dl (10 mmol/l) bleibt.
  • der Glukosewert einige Stunden nach dem Essen oder vor der nächsten Mahlzeit nicht mehr als 30 mg/dl (1,7 mmol/l) vom Ausgangsglukosewert abweicht. Dies bedeutet, dass bei Verwendung von kurzwirksamen Insulinanaloga die Abweichung nach etwa 3 Stunden, bei Normalinsulin nach etwa 5 Stunden, überprüft wird.


Wenn die Glukosewerte nach einigen Stunden mehr als 30 mg/dl (1,7 mmol/l) unter dem Ausgangswert liegen, ist der Kohlenhydratfaktor zu hoch. Erhöhen sich die Werte um mehr als 30 mg/dl (1,7 mmol/l), ist der Faktor zu niedrig.


Sollten Anpassungen des Kohlenhydratfaktors nötig sein, ist es ratsam, diese in kleinen Schritten (10-20%) vorzunehmen. Diese Anpassungen können in Absprache mit dem Diabetesteam erfolgen. Wenn du dir unsicher bist, solltest du dies unbedingt mit deinem Diabetesteam besprechen.


Der Aufwand lohnt sich!


Es kostet Zeit, die Kohlenhydratfaktoren bzw. das Kohlenhydrat-Insulin-Verhältnis (KI-Verhältnis) zu überprüfen, doch der Aufwand ist es wert. Der Insulinbedarf kann sich im Laufe der Zeit ändern, und unpassende Faktoren oder ein falsches KI-Verhältnis sind oft Hauptgründe für Glukoseentgleisungen nach dem Essen.

Es ist wichtig, die neuen Faktoren oder das neue KI-Verhältnis über mehrere Tage hinweg zu testen. Achte darauf, dass die Glukosewerte nach den Mahlzeiten unter 180 mg/dl (10 mmol/l) bleiben und dass sie vor der nächsten Hauptmahlzeit wieder auf dem Niveau von vor der Mahlzeit liegen.


Übrigens spielt der Kohlenhydratfaktor bzw. das KI-Verhältnis auch eine wichtige Rolle bei der Programmierung eines Bolusrechners. Ein solcher Rechner kann im Alltag eine wertvolle Unterstützung sein, besonders wenn sich die Faktoren oder das KI-Verhältnis ändern.



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